Schnitt und rückschnitt der mehrblütigen tulpe

Das Thema Schnitt und Rückschnitt bei der mehrblütigen Tulpe ist eines, das oft zu Missverständnissen führt, da es sich grundlegend von den Schnittmaßnahmen bei vielen anderen Gartenpflanzen wie Stauden oder Gehölzen unterscheidet. Ein klassischer Formschnitt oder ein Rückschnitt zur Anregung einer zweiten Blüte ist bei Tulpen nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Die Schnittmaßnahmen beschränken sich auf wenige, aber entscheidende Eingriffe, die vor allem der Pflanzenhygiene und der gezielten Lenkung der Energie der Pflanze dienen. Ein korrektes Vorgehen nach der Blüte ist von fundamentaler Bedeutung, um die Kraft der Zwiebel für das Überleben und eine erneute, reiche Blüte im kommenden Jahr zu sichern. Das Wissen um das „Was“, „Wann“ und „Wie“ des Schnitts ist daher ein wesentlicher Baustein für die langfristig erfolgreiche Kultur dieser besonderen Zwiebelblumen.
Die wichtigste Schnittmaßnahme bei der mehrblütigen Tulpe findet direkt nach dem Verblühen statt und wird als „Köpfen“ oder im Englischen als „Deadheading“ bezeichnet. Dabei werden ausschließlich die verwelkten Blütenstände entfernt. Der Zweck dieses Eingriffs ist es, die Pflanze daran zu hindern, ihre Energie in die Entwicklung von Samen zu investieren. Die Samenbildung ist ein äußerst kraftraubender Prozess, der die Zwiebel erheblich schwächen würde. Indem man die verblühten Blüten abschneidet, lenkt man diese wertvolle Energie stattdessen nach unten, in die Zwiebel. Diese kann die gewonnene Kraft nun vollständig für die Nährstoffeinlagerung, ihr eigenes Wachstum und die Bildung von Tochterzwiebeln nutzen.
Zum Entfernen der Blüten verwendet man am besten eine saubere und scharfe Gartenschere, um eine glatte Schnittfläche zu erzeugen und Quetschungen am Stängel zu vermeiden. Man schneidet den Blütenstiel direkt unterhalb des verblühten Blütenkopfes ab. Es ist von entscheidender Bedeutung, dabei so viel wie möglich vom Stängel und vor allem alle Blätter an der Pflanze zu belassen. Der Stängel und die Blätter sind weiterhin für die Photosynthese aktiv und produzieren die Nährstoffe, die in der Zwiebel gespeichert werden. Ein zu tiefer Schnitt würde die Pflanze ihrer „Kraftwerke“ berauben und das Gegenteil des gewünschten Effekts bewirken.
Dieser einfache Schnitt hat einen enormen Einfluss auf die Blühfreudigkeit im Folgejahr. Tulpen, bei denen die Samenbildung verhindert wird, bilden nachweislich stärkere Zwiebeln und kommen zuverlässiger wieder. Diese Maßnahme ist besonders bei den mehrblütigen Tulpen wichtig, da die Pflanze bereits für die Ausbildung ihrer zahlreichen Blüten viel Energie aufwendet. Das Köpfen ist somit keine rein ästhetische Maßnahme zur Verbesserung des Erscheinungsbildes des Beetes, sondern eine essenzielle Pflegemaßnahme zur Vitalitätserhaltung der Pflanze.
Neben der Energielenkung dient das Entfernen der verwelkten Blüten auch der Pflanzenhygiene. Verwelkende Blütenblätter, die auf die Blätter oder den Boden fallen, können bei feuchter Witterung einen idealen Nährboden für Pilzkrankheiten wie Grauschimmel (Botrytis cinerea) bilden. Durch das saubere Entfernen der alten Blüten wird dieses Infektionsrisiko minimiert. Man sollte die abgeschnittenen Blütenköpfe aus dem Beet entfernen und über den Hausmüll oder die Biotonne entsorgen, anstatt sie auf dem Kompost zu lassen, um eine mögliche Verbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden.
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Der richtige umgang mit dem laub
Der bei weitem häufigste und gravierendste Fehler beim „Schnitt“ von Tulpen ist das vorzeitige Entfernen des Laubes. Nach der Blüte beginnt die wichtigste Phase im Lebenszyklus der Tulpe: die Regenerations- und Speicherphase. Solange die Blätter grün sind, betreiben sie aktiv Photosynthese. Die dabei produzierte Energie wird in Form von Stärke in der Zwiebel eingelagert. Dieser Speicherprozess ist die Grundlage für den Austrieb und die Blütenbildung im nächsten Frühling. Ein vorzeitiges Abschneiden, Abmähen oder auch nur das Zusammenbinden der Blätter, was die Lichtaufnahme behindert, unterbricht diesen lebenswichtigen Prozess und führt unweigerlich zur Schwächung der Zwiebel.
Das Laub muss daher so lange an der Pflanze verbleiben, bis es von selbst vollständig vergilbt und vertrocknet ist. Dieser natürliche Prozess des Einziehens kann mehrere Wochen dauern und ist optisch nicht besonders ansprechend. Es ist jedoch absolut notwendig, diesen Prozess nicht zu stören. Erst wenn die Blätter welk, gelb oder braun sind und sich leicht und ohne Widerstand von der Zwiebelbasis lösen lassen, ist die Nährstoffeinlagerung abgeschlossen. Dann, und erst dann, kann das abgestorbene Laub entfernt werden, um das Beet zu säubern.
Um die unschöne Phase des verwelkenden Tulpenlaubs im Garten zu überbrücken, empfiehlt sich eine geschickte Pflanzplanung. Die Kombination von Tulpen mit mittelhohen, später austreibenden Stauden ist eine ideale Lösung. Pflanzen wie Funkien (Hosta), Storchschnabel (Geranium) oder Frauenmantel (Alchemilla mollis) treiben aus, während die Tulpen verblühen. Ihre wachsenden Blätter schieben sich über das welkende Tulpenlaub und kaschieren es auf natürliche Weise, ohne die Tulpenzwiebeln in ihrer Reifephase zu stören. So bleibt das Beet durchgehend attraktiv.
Für Tulpen, die in Rasenflächen gepflanzt wurden, um einen Wiesencharakter zu erzeugen, bedeutet dies, dass mit dem ersten Rasenschnitt gewartet werden muss, bis das Tulpenlaub vollständig eingezogen ist. Ein zu frühes Mähen würde die Tulpenpopulation innerhalb weniger Jahre zum Erliegen bringen. Wer einen kurz gemähten Rasen bevorzugt, sollte Tulpen daher besser in Beete oder Rabatten pflanzen, wo das Laub ungestört absterben kann.
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Schnitt für die vase
Die mehrblütige Tulpe ist auch eine wunderschöne Schnittblume, die frühlingshafte Akzente ins Haus bringt. Wenn man Tulpen für die Vase schneiden möchte, gibt es einige Regeln zu beachten, um der Pflanze im Garten so wenig wie möglich zu schaden. Der beste Zeitpunkt für den Schnitt ist am frühen Morgen, wenn die Stängel prall mit Wasser gefüllt sind. Man sollte Tulpen wählen, deren Knospen bereits Farbe zeigen, aber noch nicht vollständig geöffnet sind. Solche Tulpen halten in der Vase am längsten.
Beim Schnitt für die Vase ist es entscheidend, so viel Blattmasse wie möglich an der verbleibenden Pflanze im Beet zu belassen. Eine gute Methode ist es, den Stiel möglichst hoch abzuschneiden und mindestens zwei, besser noch mehr, der unteren, großen Blätter an der Pflanze zu erhalten. Diese verbleibenden Blätter können weiterhin Photosynthese betreiben und die Zwiebel mit Energie versorgen. Schneidet man den Stiel mitsamt allen Blättern an der Basis ab, ist dies für die Zwiebel fast gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Entfernen des gesamten Laubes und schwächt sie erheblich.
Nach dem Schnitt sollten die Tulpen sofort in einen Eimer mit Wasser gestellt werden. Bevor sie in die Vase kommen, wird der Stiel mit einem scharfen Messer nochmals frisch und schräg angeschnitten. Das Entfernen der unteren Blätter, die im Vasenwasser stehen würden, verhindert Fäulnis und hält das Wasser länger frisch. Tulpen wachsen in der Vase oft noch ein Stück weiter, was bei der Gestaltung von Blumensträußen berücksichtigt werden sollte.
Auch wenn man durch einen schonenden Schnitt versucht, die Zwiebel zu erhalten, ist der Schnitt für die Vase immer ein Kompromiss und bedeutet einen gewissen Energieverlust für die Pflanze. Wer jedes Jahr eine üppige Blütenpracht im Beet wünscht, sollte entweder nur sehr wenige Stiele schneiden oder die Tulpen, die für den Schnitt vorgesehen sind, als einjährige Pflanzen betrachten und im Herbst neue Zwiebeln stecken. Viele professionelle Gärtner behandeln Schnitt-Tulpen grundsätzlich als einjährige Kultur, um eine maximale Blütenqualität zu erzielen.